Anti-Social: Corporate Accounts bei Facebook
Ich habe ja bisher keinen Hehl daraus gemacht, dass ich das Geschäftsmodell von Facebook im Speziellen für völlig überbewertet halte und allgemein Social Networks füviel weniger zukunftsträchtig halte, als viele Andere.
Ein Feature, das maßgeblich zum Aufrieb meiner Nerven, zur Anpassung meines Nutzerverhaltens und zum weiteren Niedergang von Facebook führen wird, sind Corporate Accounts – weil eben viele so ticken wie ich und nicht, weil ich so ein Exot wäre.
Die Plattformen haben sich selbst den Titel „Soziale Netzwerke“ gegeben bzw. ihn gern getragen. Sozial bedeutet: Austausch mit anderen Menschen, Hinwendung zur Gruppe. Menschen interessieren sich für andere Menschen, ihre Erlebnisse, ihre Vorlieben, auch ihre Abgründe. Ein Netzwerk wie Facebook ermöglicht wie niemals vorher Kommunikation, Austausch, Teilhabe an Emotionen und Bildern, das ist unsere Natur. Darin liegt der Reiz des Social Networks: es bietet Zugang genau zu dem, was in unserer Natur liegt und generiert darüber Klicks, Visits, Unique Visits, View Time etc. pp.
Klar, irgendwie müssen die Plattformen Geld verdienen und schon Werbung funktioniert, aber eher schlecht als recht. Sehr früh kam man auf die Idee, Corporates, also Firmen, juristischen Personen, keinen Menschen, Zugang zu den sozialen Netzwerken und damit zu den Menschen und ihren Beziehungen zu geben. Die Interaktion der Menschen mit den Marken nimmt aber stetig ab. Oh Wunder.
Aus meiner Sicht logisch: ich bin bei Facebook, weil mich meine Freunde interessieren. Ich glaube allerdings, dass den Leuten Marken tendenziell egal sind, sie sich aber durchaus für Produkte oder Themen interessieren. Whatever. Der Platz in meiner Timeline ist bei schmalen 90 Kontakten schon endlich, ich wage mir kaum Accounts mit den durchschnittlichen 230 Kontakten vorzustellen. Über die Jahre machte ich den Fehler, insgesamt 7 (sieben!) „Marken“ zu liken. Und zusätzlich zu dem ganzen Kram meiner Freunde tickert seitdem der Informationsmüll dieser Unternehmen über meinen Schirm.
Das sind aber in den allermeisten Fällen keine Menschen, sondern gekaufte Geister, die künstlich Aufmerksamkeit erzeugen wollen (müssen), um zu VERKAUFEN. Indem sie so tun und schreiben, als würden sie zur Gruppe gehören. Hey, Yo, was meint ihr dazu? Und jetzt haben die Unternehmen sogar noch die Möglichkeit, über gekaufte Beiträge länger und weiter oben zu bleiben in meiner Timeline? Danke auch.
Liebe Unternehmen, ihr stehlt meine Zeit und meine Aufmerksamkeit um Werbung zu machen. Liebes Facebook, du bist Mittäter. Also kicke ich alles und jeden, keine Likes mehr für Corporates. Eure Kommunikation ist nicht persönlich und nichtmal produkt- oder themenspezifisch, nein, ihr müllt alle Liker mit eurem gesamten Corporate-Kram zu. Ihr interessiert mich nicht, eure Mitteilungen interessieren mich nicht und ich sehe keinen Grund, das weiter zu ertragen.
Ich verstehe und finde, dass Facebook fairerweise mit seiner Plattform Geld verdienen können sollte. Ich wäre bereit, pro Monat $1,99 zu zahlen für etwas wie Facebook. Viele Andere sicher auch. Dann aber bitte ohne Werbung und ohne Corporate Bullshit. Dann könnte das „soziale Netzwerk“ auch wieder seinen Zweck erfüllen und sozial sein. So wie es im Moment ist, finde ich es zunehmend asozial.
Meine 7 Likes sind seit letzter Woche Geschichte. Für Facebook kein Verlust, für die geunliketen Marken hoffentlich auch nicht – aber für mich ein riesen Fortschritt in meiner Timeline.