2012 10. Mai

Was sind Facebook-Aktien wert?

[Der Post hier schlummert schon seit Ende 2011 in meinen Entwürfen, aber jetzt muss es raus 🙂 Es kann also sein, dass hier noch 2011er Zahlen genannt werden, die sich ggf. noch leicht verändert haben. Sorry for that…]

Überall ist heute zu lesen, was schon seit Monaten gerüchteweise kursiert: Facebook wird an die Börse gehen. Ziel sei eine Unternehmensbewertung von bis zu 100 Mrd. US-Dollar. Bei einem Deal dieser Größenordnung gibt es immer die sog. „Phantasie“, das lässt sich nicht verhindern. Ein anderer, professioneller klingender Begriff dafür ist „Strategic Premium“, also ein „strategischer Preisaufschlag“. Beide Begriffe bedeuten aber letztlich dasselbe: aus nicht gewissen (=nicht direkt oder gar nicht erkennbaren) Gründen glauben die Anleger, dass das Investment mehr Wert ist, als die „harten Fakten“ hergeben. Und dementsprechend zahlen sie eben mehr.

Es gibt aber einige Aspekte, die eher dafür sprechen, dass Facebook-Aktien für Anleger mittel- bis langfristig keine besonders gute Wahl sein werden. 

Facebook intern: hohe Bekanntheit + viele Fragezeichen = viel Phantasie

Gewinn wird im Einkauf gemacht. Sprich: der Einkaufspreis bestimmt wesentlich, wie gut oder schlecht eine Anlage ist. Wenn ich billig kaufen kann, erziele ich eine hohe Rendite, selbst wenn ich es nur auf „normalem“ Niveau wieder verkaufen kann. Genau andersherum ist es für Facebook, die wollen ja möglichst viel Geld einsammeln beim Börsengang. Nach dem Motto: man soll (an die Börse) gehen, wenn es am schönsten ist. Schöner als heute wird es für Facebook aber nicht mehr werden: die Marke ist mittlerweile wahrscheinlich genauso bekannt wie CocaCola, die Nutzerzahlen sind rapide gestiegen (und werden das in Zukunft nicht mehr so schnell tun), der öffentliche Hype ist fast nicht mehr zu toppen und keiner weiß genau, wieviel und womit FB eigentlich Geld verdienen wird. Die Mischung aus großer Bekanntheit und Unwissenheit über die Details ist einer der besten Nährböden für…genau: Phantasie. In diesem Fall sogar sehr viel Phantasie.

Zahlen, Daten, Fakten

100 Mrd. sind eine ziemlich hohe Bewertung, wenn man Vergleiche bemüht. Es gibt einen riesigen Hype, der Markt sieht FB als „next big thing“, vielleicht sogar „biggest thing ever“ und dementsprechend irrational verzerrt ist auch die Zahlungsbereitschaft potentieller Aktionäre. Wie gesagt, viel Phantasie. Facebook hat 2011 ca. 4,2 Mrd. Us-Dollar Umsatz gemacht. Für die Nicht-Betriebswirte unter uns: Umsatz ist nicht gleich Gewinn. Wenn das Unternehmen tatsächlich mit 100 Mrd. USD bewertet würde, dann entspräche das damit in etwa dem 25-fachen Jahresumsatz. Zum Gewinn sagen sie leider nichts, aber eine Marge von 30% scheint für Facebook wahrscheinlich zu sein. Das würde bedeuten, dass sie in 2011 ca. 1 Mrd. USD Gewinn machen. Damit würde die Bewertung beim 100-fachen des Jahresgewinns liegen. Das bedeutet: wenn ihr die Aktie zu einem Preis kauft, bei dem das Unternehmen 100 Mrd. USD wert ist, dann müsstet ihr 100 Jahre warten, bis ihr euer Investment wieder drin habt und das auch nur dann, wenn FB jedes Jahr den kompletten Gewinn an die Aktionäre ausschütten würde (was nie, nie, nie passieren wird).

Wie sieht es denn bei anderen Unternehmen aus?

Schauen wir uns mal Vergleichswerte an:

Hier sieht man recht deutlich, was eine Bewertung von FB mit 100 Mrd. USD bedeuten würde. Man wäre auf einen Schlag mit einem Vielfachen jedes anderen vergleichbaren Unternehmens bewertet. Google hat aktuell ein EBIT-Multiple von 13,7 (=der aktuelle Unternehmenswert beträgt das 13,7-fache des Jahresüberschusses vor Zinsen und Steuern). Oracle: 17,2. Selbst Baidu, der Quasi-Monopolist in China: „nur“ 75,7.

Dann noch eine interessante Sache: man sieht deutlich, dass je höher der Wert eines Unternehmens ist, desto geringer das EBIT-Multiple typischer Weise ausfällt. Und jetzt sagt mir: welches Bubble passt nicht so richtig ins Bild? 🙂

Wir halten also fest: FB hat ein Geschäftsmodell, das sein stärkstes (Nutzer-)Wachstum wahrscheinlich schon hinter sich hat und Stand heute eher moderate Umsätze und Gewinne abwirft. Eine EBIT-Marge von 30% ist auch kein mördermäßiger Hammer in der Branche (es gibt Unternehmen, die operieren mit 50, 60, 70%). Damit also eine Bewertung von 100 Mrd. USD zu verkaufen ist, müsste FB insbesondere auf der Ertragsseite einiges leisten.

Stark steigende Umsätze und Gewinne in der Zukunft!?

Womit kann FB in Zukunft überhaupt Geld verdienen? Bisher sehe ich nur 4 Erlösquellen: 1a) Werbung bei Visit, 1b) individualisierte Werbung anhand der Nutzerdaten (Geolocation, Surfverhalten etc.), 2) Kostenpflichtige Inhalte (Spiele etc.), 3) Online-Payment (FB Credits, mit denen man Content bei Partnern kaufen kann und FB behält eine Gebühr ein, ähnlich wie PayPal) und 4) Verkauf von Nutzerdaten. Wir halten schonmal fest: da ist nichts dabei, was andere nicht auch schon anbieten und wo sie meistens schon wesentlich weiter sind als Facebook. Dazu kommen aber noch ein paar andere Dinge.

Markt: „Werbung“ als Erlösquelle funktioniert nur so lange, bis eine Sättigungsgrenze erreicht ist

Mittlerweile gibt es wissenschaftliche Studien, die belegen, dass User die Werbung auf Webseiten gar nicht mehr oder nur eingeschränkt wahrnehmen. Immer öfter löst Werbung sogar Reaktanz aus – die User lehnen Werbung also aktiv ab. Immer mehr User installieren Werbeblocker. Immer mehr User haben keine Lust auf Werbung. Der einzige Grund, warum Online-Werbung (noch) so gut läuft ist die Tatsache, dass die Internetnutzung noch immer zunimmt – bei gleichzeitiger Zunahme des TV-Konsums, weil die Leute parallel (!) TV gucken und surfen. Und was bedeutet so etwas für die Aufmerksamkeit, die für Werbeinhalte zur Verfügung steht?

Stationäre vs. mobile Nutzung

Facebook funktioniert auf dem Desktop super. Aber leider hat die Firma bis heute keine wirkliche Antwort darauf, wie sie den Mobilbereich monetarisieren sollen, und der ist ja anscheinend die Zukunft. Sprich: wie platziert man insbesondere Werbung auf den Mobilgeräten, bei denen der Platz ja extrem beschränkt ist? So wie ich das sehe, hat man da noch keinen Durchbruch erzielen können und auch sonst keine großartige Idee, womit man das kompensieren könnte.

Wettbewerb: viele Wettbewerber haben ebenfalls viele User und viele Daten

Daten können immer billiger in immer größerem Umfang gespeichert und ausgewertet werden. No brainer. FB hat hier kein Alleinstellungsmerkmal, vielleicht einen Vorteil, dass die Leute öfters auf der Plattform unterwegs sind als woanders und dass Sie Facebook nutzen, um sich bei anderen Diensten einzuloggen. Zumindest wird es auf dieser Grundlage nicht besonders einfach sein, mehr Umsatz und Gewinn zu erwirtschaften. Google macht jetzt auch sozial mit „Google+“. Microsoft will Yahoo! kaufen, auch um in „sozial“ zu machen. Beides Unternehmen, die über fette Kapitalpolster von zig Mrd. USD verfügen und entsprechend agieren können.

Regulation: wesentliche Märkte werden das Geschäftsmodell in Zukunft stärker regulieren

Bisher war die Welt für Datenhamster wie FB ein Schlaraffenland. Man konnte überall ungestört nahezu beliebige Daten sammeln, diese beliebig auswerten und für die eigenen Zwecke nutzen. Aber es regt sich in besonders wichtigen Märkten Widerstand: in ganz Mitteleuropa und auf EU-Ebene ist „Datenschutz“ das große Trend-Thema und es sieht so aus, als ob es in naher Zukunft deutliche Einschränkungen geben wird – auch für Facebook. Hey, ich meine, die Piratenpartei zieht mit über 8% in zig Landtage ein… Dann wird es möglicherweise in Zukunft weniger nutzbare Daten geben, wodurch die Individualisierbarkeit der eigenen Produkte und damit die Attraktivität für Kunden abnimmt. Verkaufen kann man die Daten dann erst recht nicht, möglicher Weise nicht einmal an die App-Partner weitergeben. Im schlimmsten Fall kann man bestimmte Leistungen in einigen Regionen dann gar nicht mehr anbieten, was wiederum den finanziellen Aufwand enorm steigert, weil man dann die Angebote regional differenzieren müsste oder weltweit auf bestimme Umsätze verzichten würde.

Fazit

All diese Dinge bringen mich dazu, nicht an den „Big Bang“ dieses IPO zu glauben. Kurzfristig werden vor allem die bisherigen Anteilseigner profitieren, die Frage ist aber, wie sich der Kurs der Aktie mittel- bis langfristig entwickeln wird, damit sie für Privatanleger interessant ist. Und aufgrund der Faktenlage glaube ich nicht daran, dass FB seine Herausforderungen so „einfach“ bzw. preiswert bewältigen können wird, dass sich der Gewinn entsprechend stark steigert, um einen so hohen Unternehmenswert zu rechtfertigen.

Just my 2 cents.

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